Die Feuerprobe by Salim Alafenisch

Die Feuerprobe by Salim Alafenisch

Autor:Salim Alafenisch [Alafenisch, Salim]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arabien, Asien, Feuerprobe, Israel, Justiz, Nomaden, Palästina, Rechtsprechung, Wüste
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-18T16:00:00+00:00


Nachtrag

Nach dem glücklichen Ausgang unseres Falles begann ich mich intensiv mit dem Phänomen der Feuerprobe auseinanderzusetzen. Ich durchforschte die verfügbare Literatur. In den Quellen über die Beduinenstämme des Vorderen Orients finden sich zwar Fragmente und Notizen darüber, eine fundierte Darlegung steht jedoch noch aus. Sicher scheint, dass sie weit verbreitet war.

Im Arabischen heißt die Feuerprobe »Al-besch’a«, der Feuerproberichter wird »Mubasch’« genannt. Ihr Urteil ist rechtsbindend, eine Berufung gegen sie ist ausgeschlossen. Die Beduinen sagen: »Ma ba’d al-nar mu’yar – Nach dem Feuer bleibt kein Raum für Zweifel über das Urteil.«

Die Feuerprobe ist dem beduinischen Gewohnheitsrecht zuzuordnen und nicht dem islamischen Recht »Schari’a«. Bereits bei den alten Arabern spielte das Feuer eine wichtige Rolle bei der Rechtsfindung, wie der deutsche Orientkenner J. Wellhausen beschrieben hat. Das Feuer als Träger besonderer Kräfte und Fähigkeiten lässt sich in den Rechtsgewohnheiten vieler Völker nachweisen, so der deutsche Ethnologe R. Thurnwald.

Als Heimat des sogenannten Ordal-Systems gilt Afrika. Bei den Bakosi in Kamerun beispielsweise besteht das Ordal darin, dass der Beschuldigte ein glühendes Beil aufhebt, um es etliche Schritte weit zu tragen. Verbrennt er sich dabei die Hände, gilt er als schuldig, bleiben die Hände unversehrt, ist er freigesprochen.

Die Feuerprobe findet sich aber auch im europäischen Kulturkreis. In seiner Novelle Die Feuerprobe beschreibt Werner Bergengruen einen Fall, in dem eine Frau des Ehebruchs beschuldigt wird. Um Schuld oder Unschuld zu klären, muss die Frau einige Schritte weit eine glühende Eisenstange tragen. Ihre Hände bleiben unversehrt, und damit ist ihre Unschuld bewiesen.

Während meiner Recherchen besuchte ich im Jahre 1981 Charlotte Bergengruen, die Witwe des Schriftstellers, in ihrer Wohnung in Heidelberg. Auf die Frage nach dem Hintergrund für diese Novelle versicherte sie mir, ihr Mann habe als Vorlage ein historisches Werk aus dem Mittelalter verwendet. Die genaue Quelle konnte sie mir jedoch nicht nennen.

Im Jahre 1982 hielt ich im Rahmen eines Symposiums der Freien Universität Berlin zum Thema Nomadismus – Ein Entwicklungsproblem? einen Vortrag über die Feuerprobe, der später auch als wissenschaftliche Publikation erschien*. Das große Echo bestärkte mich in dem Wunsch, den Feuerproberichter aufzusuchen. Aus dem Zettelkasten fischte ich das Papier mit der Adresse von Amer heraus und schrieb ihm einen Brief. Seine Antwort war positiv.

Bereits zwei Wochen später saß ich im Flugzeug nach Kairo. Es war ein Sonntag. Die Maschine war bis zum letzten Platz ausgebucht, und ich wartete sehnlichst auf den Abflug.

Nach einer Weile kam aus dem Cockpit die Mitteilung, der Abflug verzögere sich wegen technischer Probleme. Nach einer weiteren Stunde Wartezeit meldete sich die Stimme aus dem Cockpit ein zweites Mal: Der zuständige Ingenieur habe am Sonntag frei und müsse erst herbeigeholt werden, daher könne es noch dauern.

Nach drei Stunden war die Maschine endlich flugbereit, meine Reise zwischen Himmel und Erde konnte beginnen. Kaum hatten wir die Flughöhe erreicht, breitete sich eine unerträgliche Hitze aus. Unruhe kam auf unter den Passagieren. Kleinkinder schrien aus Leibeskräften, vergeblich versuchten ihre Mütter sie zu beruhigen. Während die Crew sich bedeckt hielt, verbreitete eine der Mütter nach einem Blick in das Cockpit die Nachricht, der Co-Pilot habe den Koran aufgeschlagen und rezitiere Koranverse.



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